Produktivität durch Automation von Bestandsmaschinen gesteigert
Das Ziel einer höheren Produktivität in einer spanabhebenden Fertigung muss nicht zwangsläufig mit Investitionen in neue Maschinen einhergehen, wie die Kytola Instruments Oy belegt. Das finnische Unternehmen entschied sich in einem ersten Schritt für eine flexible Automationslösung von Fastems für zwei Bestandsmaschinen, um hinreichend Erfahrungen zu sammeln. Mit durchweg positiven Ergebnissen, wie sich zeigt.
Kytola Instruments entwickelt und fertigt innovative Messgeräte für die Durchflussmessung und -überwachung (siehe Kasten). „Die Anforderungen an die Präzision unserer Produkte ist sehr hoch, was sich letztendlich auch in unserem Maschinenpark wiederspiegelt“, meint Sakari Häyrynen, Geschäftsführer der Kytola Instruments Oy mit Sitz in Muurame, rund 270 Kilometer nördlich von Helsinki.
Diversifizierte Fertigungspalette
„Derzeit verfügen wir über rund 20 CNC-Maschinen, auf denen wir verschiedenste rostfreie Materialien wie bspw. Aluminium, Edelstahl, Messing und technische Kunststoffe bearbeiten, wobei vor allem die Kunststoffe ein wichtiges Rohmaterial für uns sind“, erklärt Produktionsleiter Jarmo Tuohimetsä und betont: „Die Lieferzeiten sind sehr kurz, daher verschaffen wir uns durch ein Lager mit mehreren tausend Komponenten die notwendige Flexibilität für die Endmontage der Produkte. Darüber hinaus fertigen wir mit einem Anteil von rund 20 Prozent an der Gesamtproduktion just-in-time Teile für spezifische Projekte. Die Fertigungspalette ist somit sehr diversifiziert, wobei wir hier am Standort mit etwa 70 Mitarbeitern auf zirka 8.000 Quadratmetern rund 1.000 verschiedene Teile in Losgrößen zwischen 1 und 5.000 Stück produzieren.“
Automatisierung von zwei Bestandsanlagen
Kleine bis mittlere Losgrößen sind nicht unbedingt Argumente für eine hohe Automatisierung, vor allem, wenn die zu bearbeitenden Werkstücke auf den Maschinen regelmäßig wechseln. Für eine mannarme Produktion habe man nach Aussagen des Produktionsleiters etliche Maschinen im Betrieb bislang mit ausreichend Werkzeugen und Ladesystemen ausgestattet. „Dennoch wollten wir unsere Produktivität steigern, jedoch nicht mit der Anschaffung leistungsfähigerer Maschinen, sondern in einem ersten Schritt mit der Automatisierung von zunächst zwei bestehenden CNC-Bearbeitungszentren vom Typ Mori Seiki NH 4000, um zu sehen, welche Vorteile uns das wirklich verschafft“, erklärt Geschäftsführer Häyrynen.
Vollständiges FMS kompakt verpackt
Zur Automatisierung der beiden rund sechs Jahre alten BAZ entschied man sich seitens Kytola Instruments für einen FPC von Fastems. FPC steht für Flexibler Paletten Container, wobei der Begriff „Container“ bei genauerer Betrachtung der Automationslösung durchaus einen gewissen Eigencharme besitzt. Ein FPC ist ein vollständiges Flexibles Fertigungssystem (FFS), an das in seiner Basisversion mit bis zu 12 Palettenplätzen zunächst eine Werkzeugmaschine angebunden werden kann. Das System wird bereits komplett vorkonfiguriert beim Kunden in einer Containereinheit angeliefert, sodass die Installation und Inbetriebnahme vor Ort binnen kürzester Zeit erfolgen kann. Bei Bedarf lässt sich ein FPC flexibel und mit wenig Aufwand auf bis zu drei Container mit maximal 36 Palettenplätzen erweitern und an maximal drei Werkzeugmaschinen des gleichen Typs anbinden.
Kostenintensive Rüstzeiten entkoppeln
Kytola Instrument wählte zur Automatisierung der beiden Mori Seiki NH 4000 einen FPC-750 mit einem maximalen Ladungsgewicht von 750 kg inklusive Palette plus einen Erweiterungscontainer. Hierzu Sakari Häyrynen: „Anstatt vier Paletten für zwei Maschinen, standen uns nun insgesamt 24 Paletten für die BAZ zur Verfügung, was im Hinblick auf Produktivität und Flexibilität ein großer Schritt nach vorne ist.“
Gemessen an den Produktionsstunden eines Tages betrugen die Spindellaufzeiten an den beiden BAZ zuvor rund 30 Prozent. 70 Prozent entfielen demnach auf die Vorbereitung der Produktion inklusive der Rüstzeiten an den Maschinen. „Um an diesen Maschinen produktiv zu sein, benötigten wir in der Vergangenheit größere Fertigungslose. Das ist nun mit den Kapazitäten des FPC nicht mehr der Fall, sodass wir selbst kleinere Lose sehr wirtschaftlich fertigen können, zumal wir auch bei der Werkstückaufspannung sehr flexibel sind. Letztendlich bedeutet das geringere und von den Maschinenlaufzeiten entkoppelte Rüstzeiten mit mehr produktiven Stunden auf den Maschinen“, erklärt Jarmo Tuohimetsä und ergänzt: „Hierzu tragen u.a. auch die beiden Be- und Entladestationen am FPC maßgeblich bei.“
Mehr Kapazität für die Be- und Entladung
Aus Sicht des Produktionsleiters sei die Anzahl der Be- und Entladestationen an einem FPC ein nicht zu unterschätzender Faktor, ob ein solches System auch die erwartete Produktivität erzielt, denn nur eine Station für das Be- und Entladen könnte sich sehr schnell als „Flaschenhals“ der Automationslösung erweisen:
„Wir haben stattdessen die Möglichkeit, den FPC über eine Station zu entladen und gleichzeitig an der zweiten Station eine weitere Palette für die anstehende Produktion vorzubereiten. Vor allem nach den Wochenenden mit automatisierter Fertigung befinden sich auf den Paletten im FPC ausschließlich Spanntürme mit Fertigteilen. Diese müssen wir zunächst entladen, bevor wir das System mit den neu bestückten Paletten versorgen können.
Je mehr Be- und Entladestationen bereitstehen, desto mehr Kapazitäten hat man hierfür zur Verfügung.“
Programme sukzessive eingeführt
Die Installation des FPC und die Anbindung der BAZ dauerte rund zwei Wochen, danach wurden die auf das FFS angepassten NC-Programme der Maschinen in der laufenden Produktion getestet. „Da für die Teileproduktion mit den Maschinen rund 300 verschiedene Programme vorgesehen sind, haben wir uns aus Gründen der Prozesssicherheit für diese Testphase entschieden, die natürlich eine gewisse Zeit in Anspruch nahm“, so Sakari Häyrynen. Sobald ein neues Teil gefertigt werden musste, wurde das entsprechende Programm auf einer der beiden BAZ getestet, während mit der zweiten Maschine regulär gefertigt werden konnte. Auf diese Weise wurden sämtliche Programme sukzessive in die neue Fertigungsorganisation eingeführt.
Spindellaufzeiten nahezu verdoppelt
„Bereits wenige Wochen nach Inbetriebnahme der Automationslösung und der Testphase für die Programme haben wir erste positive Effekte in Richtung Produktivitätssteigerung festgestellt“, berichtet Produktionsleiter Tuohimetsä. Die Spindellaufzeiten wurden durch den FPC für jede Maschine nahezu verdoppelt, u.a. auch deshalb, weil man in der Lage war, in zusätzlichen mannlosen Nacht- und Wochenendschichten zu produzieren.
„Der Produktivitätszuwachs war derart hoch, dass wir in der Zwischenzeit drei ältere BAZ außer Betrieb nahmen und verkauften.
Darüber hinaus konnten wir auch Teile in das FFS aufnehmen, deren wirtschaftliche Fertigung auf den beiden BAZ als Stand-Alone-Lösung zuvor nicht möglich gewesen wäre. Und das alles vor dem Hintergrund einer Pay-Back-Zeit der Automation von unter zwei Jahren“, unterstreicht Jarmo Tuohimetsä die ersten überaus erfreulichen Ergebnisse.
Weiterer Ausbau der Automation
Doch jede noch so produktive Lösung für die Fabrikautomatisierung hat ihre Grenzen, wie auch der Geschäftsführer von Kytola Instruments nur zu gut weiß: „Da wir mit den Werkzeugplätzen an den Maschinen und der Palettenanzahl im FPC als flexibles Fertigungssystem an ein Limit gestoßen sind, haben wir kürzlich das FFS (FMS) mit dem Ziel einer höheren Fertigungsproduktivität erweitert.“
Hierzu wurden zwei Bestandsmaschinen durch zwei Mori Seiki NHX 4000 ersetzt und die Kapazitäten des FPC mit einem weiteren Container mit 12 Palettenplätzen ausgebaut. „Nun stehen uns für die flexible Produktion insgesamt 36 Palettenplätze zur Verfügung. Da die beiden neuen BAZ zudem je Maschine 240 statt zuvor 60 Werkzeugplätze bereitstellen, wird ihr Einsatzspektrum zusätzlich erweitert.“ Mittlerweile realisiert Kytola Instruments mit dem FFS rund 350 verschiedene Fertigungsoperationen. Hierzu konnten zirka 50 bereits zuvor für das Automationssystem genutzte NC-Programme ohne Änderungen und weitere Programme mit nur geringfügigen Modifikationen übernommen werden.
Produktionskapazitäten um 50 % gesteigert
Darüber hinaus ergriff man im Zuge des Projektes die Gelegenheit, die Ergonomie der Be- und Entladestationen zu optimieren, indem das Niveau der Vorrichtungen für eine bessere Zugänglichkeit der Spanntürme auch für größere Mitarbeiter angehoben wurde.
„Mit dem erweiterten FPC und den neuen Maschinen haben wir unsere Produktionskapazitäten um 50 Prozent steigern können. Unser Ziel ist es zunächst, vor allem während der Wochenenden lange unbemannte Produktionszeiten zu realisieren. Darüber hinaus bietet uns der FPC noch die Option, ein weiteres BAZ in die Automation zu integrieren und damit die Produktionskapazitäten nochmals auszubauen“, so Jarmo Tuohimetsä.
„Zusammengenommen haben wir gemeinsam mit Fastems als Anbieter von Fabrikautomationssystemen eine Lösung realisiert, die uns für die nächsten Jahre vielversprechende Potenziale für eine noch höhere Produktivität und Flexibilität der Fertigung verspricht“, ist Sakari Häyrynen überzeugt.
Dieser Artikel ist im Fachmagazin „fertigung“, Ausgabe 05/2019 erschienen.